Michael Pollan - Verändere dein Bewusstsein
Einleitung
Die Slogans wie „Keine Macht den Drogen“ haben lange Zeit alle illegalen Substanzen pauschal als schädlich dargestellt. Doch diese Sicht könnte die möglichen Vorteile bestimmter, noch illegaler Drogen übersehen. In den letzten Jahren erlebt die Forschung zu Psychedelika wie LSD, halluzinogenen Pilzen und Ayahuasca ein Comeback. Während solche Substanzen früher als gefährlich galten, wissen traditionelle Heiler seit Jahrhunderten um deren heilende Eigenschaften. Psychiater untersuchten in den 1950er und 60er Jahren diese Substanzen, bevor sie verboten wurden. Aktuelle Forschungen zeigen, dass Psychedelika möglicherweise nicht nur das Bewusstsein erweitern, sondern auch bei der Behandlung von Suchterkrankungen und psychischen Problemen hilfreich sein können. In der Zusammenfassung wird auch thematisiert, warum Michael Pollan von seiner LSD-Erfahrung enttäuscht war, was bei einem Pilztrip im Gehirn passiert und welche Gemeinsamkeiten zwischen Astronauten und Menschen im psychedelischen Rausch bestehen.
Es wird zunehmend anerkannt, dass nicht alle psychedelischen Substanzen schädlich sind
Im Jahr 2006 traf der US-Supreme Court eine wegweisende Entscheidung, indem er der religiösen Gemeinschaft União do Vegetal erlaubte, Ayahuasca aus Südamerika für ihre Rituale zu importieren, obwohl einige der darin enthaltenen Substanzen in den USA verboten sind. Dieser Beschluss markierte einen bedeutenden Wandel in der sonst strengen Anti-Drogen-Politik des Landes.
Ein wesentlicher Grund für diesen Wandel war die zunehmende wissenschaftliche Untersuchung der positiven Effekte psychedelischer Drogen. Der Neurowissenschaftler Roland Griffiths veröffentlichte 2006 eine einflussreiche Studie, die zeigte, dass psychedelische Drogen wie Psilocybin tiefgreifende spirituelle und persönliche Entwicklungen fördern können. Diese Studie, die erste ihrer Art seit den 1960er Jahren, führte zu einer positiven Neubewertung dieser Substanzen, auch in der Öffentlichkeit.
Griffiths’ Forschung unterschied klar zwischen harten Drogen wie Kokain und Heroin, die stark suchtgefährdend und giftig sind, und psychedelischen Substanzen wie Psilocybin und LSD, die bei richtiger Dosierung und Umgebung sicher und förderlich für die psychische Gesundheit sein können. Diese Erkenntnisse trugen dazu bei, das negative Image von Psychedelika in der amerikanischen Gesellschaft zu revidieren.
In der Mitte des 20. Jahrhunderts erlebten Psychedelika einen plötzlichen Aufstieg und wurden ebenso schnell wieder verboten
Die Geschichte der Psychedelika begann während des Zweiten Weltkriegs, als der schweizerische Chemiker Albert Hofmann 1943 eine ungewöhnliche Entdeckung machte. Bei seiner Arbeit für die Firma Sandoz suchte er nach einem kreislaufanregenden Medikament und stieß dabei auf Lysergsäure, die er aus dem Mutterkornpilz gewonnen hatte. Zunächst schien diese Substanz unbedeutend, aber nach einem erneuten Kontakt erlebte Hofmann den ersten LSD-Trip der Geschichte, bei dem er intensive visuelle Eindrücke und ein starkes Gefühl der Verbundenheit spürte.
Im Jahr 1955 nahm der Autor Gordon Wasson als erster westlicher Besucher an einer Pilzzeremonie des indigenen Mazateken-Volkes in Mexiko teil, die seit Jahrtausenden psilocybinhaltige Pilze für Heilung und spirituelle Rituale nutzten. Sein Bericht darüber im Life Magazine weckte das Interesse der westlichen Öffentlichkeit an bewusstseinserweiternden Substanzen.
Als jedoch in den 1960er Jahren LSD und Psilocybin aus den Laboren in die Hippie-Gegenkultur gelangten, reagierte die politische Klasse entsetzt. Die weite Verbreitung der Substanzen führte zu einem Verbot aller psychedelischen Drogen, begleitet von massiver Polizeigewalt und einer öffentlichen Kampagne, die alle Drogen als gefährlich darstellte. Dadurch gerieten die lange Geschichte und das Potenzial psychedelischer Substanzen in Vergessenheit, und die vielversprechende psychiatrische Forschung zu LSD wurde abrupt gestoppt.
Pollan machte seine erste LSD-Erfahrung in einem ruhigen Umfeld und unter professioneller Betreuung
Wenn du eine unangenehme Erfahrung mit einer psychedelischen Droge gemacht hast, lag das wahrscheinlich an einem ungeeigneten Setting. Viele Menschen nehmen LSD in Partysituationen ein, wo Faktoren wie laute Musik, Alkohol und aufgeregte Menschen schnell zu einem beängstigenden Erlebnis führen können.
Um die beruhigende und therapeutische Wirkung von LSD zu erleben, ist es wichtig, sich in einem ruhigen und kontrollierten Umfeld von einem erfahrenen Guide begleiten zu lassen. Michael Pollan hatte seine erste LSD-Erfahrung mit einem deutschen Guide namens Fritz, der in einem dreitägigen Retreat für die idealen Bedingungen sorgte. Der erste Tag war für Atemübungen vorgesehen, der zweite für den LSD-Trip, und der dritte für die gemeinsame Aufarbeitung der Erfahrung.
Ein guter Guide schafft eine sichere und entspannte Atmosphäre und ist die ganze Zeit über anwesend, um Unterstützung zu bieten, falls etwas schiefgeht. Experten raten davon ab, den ersten LSD-Trip zusammen mit einem Partner oder engen Freunden zu erleben, da man sich möglicherweise mehr um die andere Person sorgt als um sich selbst, was den therapeutischen Effekt beeinträchtigen könnte.
Pollan war überrascht, dass sein LSD-Trip anders verlief als erwartet. Bereits während der Atemübungen am ersten Tag hatte er ein beeindruckendes Erlebnis, bei dem er sich tief mit seinem Körper verbunden fühlte. Die eigentliche LSD-Erfahrung war weniger ein „abgefahrener Trip“ als eine sanfte psychologische Auseinandersetzung mit seiner Familie, die ihm half, eine neue Verbindung zu seinem Sohn und seinem Vater zu spüren.
Während seines Trips mit psychedelischen Pilzen begann sich Pollans Ich-Gefühl allmählich aufzulösen
Michael Pollan war von seinem LSD-Trip enttäuscht, da die Erfahrung zwar seine emotionale Offenheit förderte, aber nicht die erhoffte tiefgreifende Bewusstseinserweiterung brachte. Dennoch entschied er sich, eine weitere mystische Erfahrung mit psilocybinhaltigen Pilzen zu machen, diesmal unter der Anleitung von Mary, einer spirituellen Führerin an der Ostküste der USA.
Anfangs fand Pollan das Setting klischeehaft: Marys Haus war voller Pflanzen und Weiblichkeitssymbole, und der Zeremonienraum war mit einem violett geschmückten Altar ausgestattet, der verschiedene Heiligtümer beherbergte. Diese Dekorationen verstärkten seine ursprüngliche Skepsis gegenüber Mystizismus. Doch sobald das Psilocybin zu wirken begann, erschienen ihm Marys Rituale und Worte vollkommen natürlich. Sie führte ihn ruhig und sicher durch eine intensive und beeindruckende Erfahrung.
Pollan nahm einen großen Pilz, der etwa zwei Gramm Psilocybin enthielt, was mehr war als seine LSD-Dosis. Die Wirkung war faszinierend: Er erlebte die Welt um sich herum in leuchtenden, fast magischen Farben. Marys Gesicht verwandelte sich für ihn in das der mexikanischen Heilerin María Sabina. Während des Trips löste sich sein Ego auf, und er nahm die Welt aus einer unvoreingenommenen, allumfassenden Bewusstheit wahr. Diese Erfahrung war für Pollan schließlich so tiefgreifend und transzendental, wie er es sich gewünscht hatte.
Unter dem Einfluss von Psychedelika arbeiten normalerweise getrennte Gehirnregionen intensiver zusammen
Menschen, die einen psychedelischen Rausch erleben, berichten oft von intensiven Halluzinationen und veränderten Wahrnehmungen. Diese Erlebnisse sind so eindrucksvoll, dass sie in der Kunst, wie bei den Beatles oder Jimi Hendrix, oft versucht werden, im nüchternen Zustand nachzubilden. Doch was geschieht dabei im Gehirn?
Neurowissenschaftler wie Robin Carhart-Harris haben versucht, diese Frage zu beantworten. In einer 2014 durchgeführten Studie am Londoner Imperial College untersuchte er die Wirkung von Psilocybin auf das Gehirn mithilfe der Magnetoenzephalographie, die Gehirnströme aufzeichnet. Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Gehirnregionen, die normalerweise unabhängig voneinander arbeiten, wie das visuelle Wahrnehmungszentrum und Gedächtnisareale, beginnen unter dem Einfluss von Psilocybin intensiv miteinander zu kommunizieren. Das Gehirn agiert dadurch stärker als eine integrierte Einheit.
Diese besondere Vernetzung könnte die magischen Erfahrungen während eines Trips erklären. Wenn Gehirnareale für Erinnerungen, Emotionen und visuelle Eindrücke miteinander interagieren, sieht man die Welt buchstäblich in einem neuen Licht. Dies kann zum Beispiel dazu führen, dass man starke Gefühle mit bestimmten Erinnerungen verbindet, wie bei Michael Pollans Halluzination, in der sich Mary in eine Heilerin verwandelte.
Psilocybin kann auch zu synästhetischen Erfahrungen führen, bei denen verschiedene Sinne verschmelzen, wie das Wahrnehmen von Klängen als Farben oder das Verbinden von Geschmäckern mit körperlichen Empfindungen.
In positiv verlaufenden Sitzungen kann diese neuronale Umstrukturierung zu neuen und lebensverändernden Einsichten führen, insbesondere für Menschen, die schlechte Angewohnheiten oder negative Denkmuster überwinden möchten. Psychedelika bieten hier eine wertvolle Gelegenheit, das Leben aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten.
Psychedelika werden mittlerweile auch zur Behandlung von Patienten im Endstadium erforscht
Im New York City Hospital gibt es einen speziellen Behandlungsraum, der eher wie ein gemütliches Wohnzimmer eingerichtet ist. Dort nutzen Ärzte Psychedelika, um die Leiden von Menschen im Endstadium einer tödlichen Krankheit zu lindern. Studien legen nahe, dass solche Drogen helfen können, Angstzustände und Depressionen bei unheilbar kranken Patienten zu mindern.
Patrick Mettes, ein 53-jähriger Krebspatient, der nach drei Jahren erfolgloser Chemotherapie die Teilnahme an einer Psilocybin-Studie im New York City Hospital anbot, erlebte während der Behandlung tiefgreifende und bedeutende Erfahrungen. In einer Sitzung erhielt er ein Placebo, in der anderen eine Dosis von 25 Milligramm Psilocybin. Unter dem Einfluss der Droge hatte Mettes Visionen, in denen er starke Frauenfiguren wie seine verstorbene Schwägerin und Michelle Obama sah. Diese Erlebnisse gaben ihm Kraft und halfen ihm, eine tiefere Verbindung zu emotionalen und spirituellen Aspekten des Lebens zu finden.
Die körperliche Reaktion auf den Trip war intensiv, und zeitweise befürchteten die Ärzte, dass die Erfahrung zu überwältigend für ihn sein könnte. Mettes sprach von der Ähnlichkeit zwischen Geburt und Tod und durchlebte in seinen Visionen sogar eine Art symbolische Geburt.
Am Ende erwies sich die Erfahrung für Mettes als heilsam, da sie ihm half, mit dem Kreislauf von Leben und Tod Frieden zu schließen. Insgesamt war die Studie ein Erfolg, da die Angstzustände und Depressionen der Teilnehmer um 80 Prozent zurückgingen. Dennoch sind weitere Untersuchungen nötig, um sicher festzustellen, ob Psychedelika auf breiterer Basis für die Behandlung von Patienten wie Mettes eingesetzt werden können.
Psychedelika können die Lebensperspektive verändern und bei der Heilung von Suchterkrankungen helfen
Sowohl Astronauten als auch Menschen unter dem Einfluss psychedelischer Drogen berichten von tiefgreifenden Perspektivwechseln, die ihre Sicht auf das Leben verändern. Astronauten wie Edgar Mitchell, der während der Apollo-14-Mission eine transformative Erfahrung im All machte, erlebten ein Gefühl der Einheit mit dem Kosmos und die Zerbrechlichkeit der Erde aus der Ferne. Ähnlich erleben Menschen unter Psychedelika oft eine erweiterte Wahrnehmung und ein Gefühl der Verbundenheit mit allem Leben oder eine Erkenntnis über unsere gemeinsame Herkunft aus Sternenstaub.
Diese psychedelischen Erlebnisse haben auch therapeutisches Potenzial. Eine Studie von 2009 untersuchte, ob Psychedelika helfen können, langjährige Raucher von ihrer Sucht zu befreien. Die Teilnehmer durchliefen ein Jahr lang eine Behandlung mit Psilocybin, unterstützt durch kognitive Vorbereitung und regelmäßige Tests. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Nach sechs Monaten hatten 80 % der Teilnehmer aufgehört zu rauchen, und nach einem Jahr blieben über 60 % abstinent. Die Intensität der psychedelischen Erfahrungen war direkt mit dem Erfolg der Behandlung verknüpft, was auf die Wirksamkeit dieser Ansätze hinweist, obwohl weitere Forschungen nötig sind, um die genauen Mechanismen zu verstehen.
Psychedelika können Depressionen lindern, indem sie ein neues Gefühl der emotionalen Verbundenheit schaffen
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Psychedelika in den Mainstream vordringen. So beauftragte die US-Arzneimittelbehörde FDA 2017 eine Studie, um den Einsatz von Psychedelika zur Behandlung von Depressionen zu untersuchen. Frühere Studien, wie die von Robin Carhart-Harris 2016 am Imperial College in London, zeigen vielversprechende Ergebnisse: Bei 80 % der Teilnehmer mit chronischen Depressionen, die auf andere Therapien nicht angesprochen hatten, verbesserten sich die Symptome nach einer Woche. 60 % fühlten sich sogar vollständig geheilt. Nach sechs Monaten war diese Zahl jedoch auf 30 % gesunken, was darauf hindeutet, dass die Behandlung möglicherweise wiederholt werden muss, um langfristig wirksam zu sein.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass Psychedelika effektiver sein könnten als traditionelle medikamentöse Therapien, die oft nicht wirken und Nebenwirkungen haben. Psychedelika scheinen bei Depressionen zu helfen, indem sie den Patienten ein neues Gefühl der emotionalen Verbundenheit geben. Viele Teilnehmer berichteten, dass die Depression sie von der Welt, ihren Mitmenschen und ihren eigenen Gefühlen abgeschottet hatte, und dass Psilocybin ihnen half, diese Verbindung wiederherzustellen.
Obwohl noch mehr Forschung nötig ist, deuten diese Studien darauf hin, dass Psychedelika ein wertvolles Werkzeug im Umgang mit psychischen Erkrankungen sein könnten.
Zusammenfassung
Die zentrale Botschaft dieser Zusammenfassung ist, dass Psychedelika, die lange als gefährliche Drogen galten, nun durch moderne medizinische Studien in einem neuen Licht betrachtet werden. Diese Forschungen bestätigen das alte Wissen traditioneller Heiler: Psychedelika können tiefgreifende, bewusstseinserweiternde Erfahrungen auslösen, die bei der Behandlung schwerer Erkrankungen wie Depressionen und Suchterkrankungen hilfreich sein können. Sie können auch dazu beitragen, todkranken Menschen einen friedvolleren Lebensabschluss zu ermöglichen.